„Being good“ statt „being less bad“ – warum Cradle-to-Cradle sinnvoll ist

„Being good“ statt „being less bad“ – warum Cradle-to-Cradle sinnvoll ist

Es gab viele interessante Sätze von Prof. Michael Braungart bei der Vorstellung des Themas Cradle to Cradle im Rahmen des Earth Day 2015 in Frankfurt, am prägnantesten fand ich die kurze Aussage im Titel. Letzte Woche zeigte er anhand vieler Beispiele auf, dass Ressourcen- und Energieeffizienz allein nicht die Lösung für unsere globalen Herausforderungen sind. Um „nur“ effizient zu sein und auf dieser Erde leben zu können, sind wir zu viele. Öko-Effektivät ist das, was uns langfristig wirklich dabei helfen kann, auch mit 11 Milliarden Menschen auf der Erde zu leben und nicht in Verteilungskriegen zu enden. Und da ist für mich die offensichtliche Verknüpfung zum Portfoliomanagement. Denn den größeren Hebel kann ich immer dann ansetzen, wenn ich mich darauf konzentriere, die „richtigen Dinge“ zu tun, d.h. effektiv zu sein. Nur für diese Projekte bringt „die Dinge richtig tun“, d.h. effizient, einen Mehrwert. Ansonsten tue ich das Falsche effizienter – und das bringt mich nur kurzfristig weiter.

Einige der Aussagen von Prof. Braungart sind im Interview mit hrInfo nachzuhören, der auch den Sprecher der Cradle to Cradle Regionalgruppe Frankfurt interviewt hat. Wenn es um Nachhaltigkeit geht wird stark über die Aspekte Ressourcen- und Energieeffizienz sowie bewusstere Ernährung gesprochen, erstaunlicherweise eher selten über den Ansatz, wie man öko-effektiv handeln kann. Das liegt seiner Ansicht nach sehr stark daran, dass wir in Deutschland und Europa eher problemorientiert unterwegs sind und weniger visionär und lösungsorientiert.

So finden sich viele Kritiker am Cradle-to-Cradle Ansatz, die argumentieren, dass der Ansatz noch nicht ausgereift ist und nicht allein die Lösung bringen kann. Ein typisches Beispiel kommt von Friedrich Schmidt-Bleek, der die Cradle-to-Cradle Sitzbezüge im Airbus als Anlass für seine Kritik nimmt: „Ich kann mich auf Michaels Sitzbezügen im Flugzeug sehr wohl fühlen. Ich warte aber noch immer auf den detaillierten Vorschlag, die anderen 99,99 Prozent des Airbusses A380 nach seinen Prinzipien zu gestalten.“ Das zeigt aus meiner Sicht sehr gut die Problematik, die dazu führt, warum wir nicht nach Cradle-to-Cradle arbeiten. Wenn die Kritiker ihre Energie zur Suche nach Lösungen für die erkannten Schwierigkeiten nutzen würden, wären wir sicher schon viel weiter.

Wie bei jeder Veränderung, die ich im Unternehmen einführen möchte, benötige ich auch bei der Umstellung auf Cradle-to-Cradle die Unterstützung des Top Managements, der Vordenker im Unternehmen oder der Gesellschaft. Wenn diese vorgeben, dass die Grundidee und der Grundwert einer nachhaltigen Denkweise verfolgt werden soll, dann richtet sich das Denken darauf aus. Man sucht nach Lösungen für die Probleme, die auftauchen auf dem Weg, das Richtige zu tun. Und fokussiert sich nicht auf die Hindernisse, sondern auf das Ziel. Es hört sich einfach an – funktioniert aber leider schon bei „normalen“ Projekten oft nicht, da wir zu kurzfristig unterwegs sind. Und bei einer so massiven Veränderung, die Auswirkungen auf viele Bereiche des Unternehmens und der Gesellschaft hat, ist ein gutes Change Management erforderlich. Es braucht viele Mitstreiter und eine gute Kommunikation, sonst gehen die guten Ideen im täglichen Stress verloren. Es braucht gutes Projekt- und Programmmanagement, um diese Strategie und das Umdenken ans Leben zu bringen. Dazu sind viele Unternehmen nicht aufgestellt. Und wir Menschen auch nicht – denn ein Großteil der Menschen mag keine Veränderungen – die Routine ist zwar langweilig, erleichtert aber das Leben.

Und denjenigen, die Veränderungen spannend finden, ist oft nicht klar, dass sie einen Großteil der Kollegen verlieren, wenn sie ständig neues propagieren. Wenn es nur Treiber und Bewahrer gibt, reibt sich die Organisation jedoch auf – es muss die Vermittler geben, die dafür sorgen, dass die Bewahrer mitgenommen werden. Und deren Bedürfnisse ebenfalls berücksichtigt werden. Das ist meiner Ansicht nach bei Cradle-to-Cradle ebenfalls sehr wichtig – die Leute, die vielleicht ihrem aktuellen Job nicht mehr nachgehen können, weil sie „das Falsche“ tun, müssen Alternativen erkennen, wie sie ihre Fähigkeiten und Erfahrungen für gute Lösungen einsetzen können. Das ist viel wichtiger als ihnen zu erklären, dass sie das Falsche tun. Wenn wir diesen gesellschaftlichen Wandel und das Umdenken nicht hinbekommen, sollten wir schnellstens in die Raumfahrtindustrie investieren…

Für alle, die mitmachen, mitdiskutieren und überlegen wollen, wie man die Cradle-to-Cradle-Ideen weiter verbreitet, ist der Verein Cradle-to-Cradle sicher eine gute Anlaufstelle. Ich freue mich darauf, mit Gleichgesinnten dazu an Lösungen zu arbeiten und werde hin und wieder an dieser Stelle aus dem Verein berichten.