Training oder Workshop? Diese Frage stellt sich bei den interkulturellen Trainings jedes Mal – denn diese halte ich für einen Kunden, bei dem die Teilnehmer wesentlich mehr internationale Erfahrung mitbringen als ich selbst. Und bei dem der Austausch der Erfahrungen untereinander gem. Rückmeldung der Teilnehmer einer der wertvollsten Aspekte des Trainings ist. Zudem gibt es in Abhängigkeit von den Teilnehmern spezifische Fragen zum Verhalten in unterschiedlichen Ländern. Antworten aus eigener Erfahrung im Umgang mit Kollegen und Geschäftspartnern aus Russland, Indien, Ungarn, der Slowakei, Malaysia und Spanien zu bringen, ist nahezu unmöglich – also was tun?
Eine kurze Abfrage zum Hintergrund der Teilnehmer vor dem Training hat mir geholfen, mich gezielt vorzubereiten. Beim ersten Training hatten fast alle Teilnehmer ein Interesse an Spezifika zur Kultur in Russland, teils zu Indien. Mit Indern habe ich bereits zusammen gearbeitet, da konnte ich auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Aber Russland? Vor dem Training war es mir wichtig, ein Gefühl zu dem Land zu bekommen, daher habe ich mich mit Bekannten aus meinem Netzwerk unterhalten, die aus Russland stammen oder sehr intensiv Geschäfte mit Russland betreiben. So konnten wir neben einigen generellen Themen, wie man im interkulturellen Kontext vorgehen sollte, gezielt auf den Umgang mit Russland eingehen, die Erfahrungen der Teilnehmer in den Kontext mit veröffentlichten Studien zur Kultur bringen: Unter http://geert-hofstede.com/countries.html können Sie übrigens nicht nur Infos zur Kultur in Russland, sondern auch zu anderen Ländern bekommen und diese mit der deutschen Kultur vergleichen.
Das hilft, um eine grundsätzliche Einschätzung der Denkwelt der internationalen Kollegen zu bekommen. Allerdings sollte sich jeder darüber im Klaren sein, dass es nicht „den Russen“ und „den Deutschen“ gibt, sondern jeder Mensch einzigartig ist und bleibt. Stereotypen helfen nicht weiter, sondern ich muss mich auf die Person einlassen. Allerdings hilft es mir, den kulturellen Hintergrund meiner Geschäftspartner zu kennen, um nicht in Fettnäpfchen zu treten. Interessant war beim ersten Training, dass eine typische Eigenschaft von Indern, dass Sie normalerweise „Nein“ nicht in Ihrem Wortschatz haben, sondern dies umschreiben, sich durch eine intensive Zusammenarbeit änderte. Allerdings dauert dies eine Zeit, aber wenn die Führungskraft es schafft, den Mitarbeitern das Vertrauen zu geben, Schwierigkeiten ohne negative Konsequenzen offen anzusprechen, dann lassen sich die internationalen Kollegen auf das kulturelle Verständnis der Führungskraft ein.
In der Rolle des Trainers sehe ich mich hier eher als Facilitator und Erfahrungsaustausch-Ermöglicher. Mit verschiedenen Aufgaben und kurzen Input-Sessions erreichen wir nicht nur eine bessere Awareness der Teilnehmer, d.h. ein bewussteres Wahrnehmen der interkulturellen Aspekte. Sondern erarbeiten auch konkrete Lösungsmöglichkeiten für konkrete situationen der Teilnehmer.
Im aktuellen Training war z.B. eine wesentliche Erkenntnis, dass ein Kick-off oder Statusmeeting für ein Projekt, bei dem alle Projektmitarbeiter gleichzeitig eingeladen sind, oft nicht dazu führt, dass unklare Punkte geklärt werden. Denn gerade internationale Mitarbeiter aus asiatischen Ländern möchten in der großen Gruppe nicht sagen, dass sie noch Fragen haben, da sie dann evtl. „das Gesicht verlieren“ würden. Die vermutete Effizienz, wenn man alle Kollegen gleichzeitig informiert, wird dann konterkariert durch fehlendes Verständnis einzelner. Daher bieten sich das persönliche Follow-up Gespräch oder kleinere Meetings an, wenn die Gefahr des Missverständnisses gesehen wird. Viele weitere kleinere Erkenntnisse sorgen dafür, dass die Teilnehmer das Training sehr positiv bewerteten – auch wenn es eher einen Workshop-Charakter hatte. Ich freue mich schon auf den nächsten Trainings-Workshop nächste Woche und bin gespannt, welche Erkenntnisse wir dort herausarbeiten. Wertvolles Wissen für die berufliche Praxis wird jeder Teilnehmer mitnehmen.