Vor 2 Jahren in Stuttgart habe ich das Format PM Camp kennen und aufgrund der hohen Interaktivität schätzen gelernt. Im Gegensatz zu „normalen“ Konferenzen gibt es bei einem Barcamp kein vorab veröffentlichtes Programm, sondern lediglich eine Struktur, innerhalb derer das Programm am vormittags des jeweiligen Veranstaltungstages entsteht. Es gibt jeweils ca. 45-minütige Sessions, deren Thema in einer großen Runde vorgestellt wird. Dadurch, dass nichts außer der Anzahl an bereitgestellten Räumen vorher fest steht, gibt es für jeden Teilnehmer die Möglichkeit, sein eigenes Thema zu platzieren und zu diskutieren, wenn es interessant genug für andere ist. Manche bringen eine bereits vorbereitete Präsentation mit, andere stellen ihr Thema vor und diskutieren Ideen mit der entstehenden Gruppe. Abgestimmt wird direkt und mit den Füßen – wenn mir das Thema nicht gefällt oder ich genug gehört habe, ist es kein Problem, die Session direkt zu wechseln. Vor knapp 4 Jahren in Dornbirn entstanden, gibt es mittlerweile viele PM Camps in verschiedenen Städten in Deutschland. Und beim Piloten im nicht-deutschsprachigen Ausland vom 2.-3.Oktober in Barcelona hatte ich die Möglichkeit, diesen Austausch auf internationaler Ebene zu erleben.
Mit Teilnehmern aus Spanien, Frankreich, England, Zypern, Kuba, Bolivien, Russland und Deutschland konnte ich Erfahrungen und Ideen für besseres Projektmanagement diskutieren. Agilität und Projektmanagement-Strukturen, Ideen zum spielerischen Erfahren von Aspekten des Projektmanagements, erforderliche Dokumentation und mögliche Zertifizierungen, das Change Management als wirkungsvolle Unterstützung des Wandels, aber auch die Funktionsweise unseres Gehirns, Lean Coffee-Technik, Decision-Making oder interkulturelle Aspekte wurden auf Englisch oder Spanisch in kleinen Runden vorgestellt, besprochen und in der direkten Anwendung Erfahrungen gesammelt. Ein Überblick über die entstandenen Sessions und deren Dokumentation wird auf der Plattform openpm bereitgestellt.
An beiden Tagen gab es durch die renommierten Speaker Niels Pfläging und Yan Bello interessante Eröffnungen, die erste Anregungen gaben und uns spielerisch mit einbezogen haben. Wie man Legosteine zum besseren Verständnis im Team nutzen kann, zeigte uns der kurze Einblick in Lego Serious Play. Erstaunlich, wie unterschiedlich 6 Leute mit 6 Legoteilen etwas so „Triviales“ wie eine Ente gestalten und wie sie ihr Modell erklären. Da mich die Erfahrungen von internationalen Teilnehmern mit Strukturen für das Projektmanagement interessieren, habe ich die 2. Session „PM structures“ selbst spontan angeboten und moderiert – und festgestellt, dass der fehlende Rahmen für Projektmanagement ein Problem ist, mit dem viele Projektleiter zu kämpfen haben.
Am Nachmittag ging es dann um das Project Journey, das ich in ähnlicher Form selbst in meinen Trainings erfolgreich nutze, um ein Projekt zu definieren – und um Begrifflichkeiten. Oft wird unterschätzt, dass wir zunächst ein gemeinsames Vokabular und Begriffsverständnis erreichen müssen, bevor wir im Projekt loslaufen. Dabei gibt es nicht das „richtige“ Verständnis, viel wertvoller ist es, sich im Team auf eine Begriffswelt zu einigen. Interessante Diskussionen gab es im Anschluss in der Session Decision-making, als sich die Frage stellte, was wir unter einer „guten Entscheidung“ verstehen. Wir kamen zur Erkenntnis, dass die Suche nach guten Entscheidungen oft dazu führt, dass es sehr lange dauert, bis eine Entscheidung überhaupt getroffen wird. Eine „gut durchdachte Entscheidung“ heißt nicht, dass sie sich im Nachgang als richtig herausstellt – aber sie gibt mir die Möglichkeit, weiter zu machen und eine neue Entscheidung zu treffen, wenn dies erforderlich ist. Das ist in jedem Fall besser, als die Entscheidung ständig zu vertagen – einem Verhalten, dass offensichtlich nicht nur ich in deutschen Unternehmen oft sehe.
Typisch für ein PM Camp ist es auch, während der Veranstaltung aktuelle Erkenntnisse zu twittern, durchaus schwierig, wenn das Thema sehr fesselt. Auch ich habe versucht, einige spannende Punkte zwischendurch auf diese Art zu dokumentieren. Auf dem Weg zum Networking beim Abendessen konnten wir den Strand von Barcelona ein wenig genießen, ein inspirierendes Umfeld. Am zweiten Tag habe ich mich noch stärker mit dem Faktor Mensch und den Veränderungen beschäftigt. Anhand der Star Trek Charaktere machten wir uns ein Bild des menschlichen Gehirns. Dabei war es spannend festzustellen, dass das menschliche Gehirn ein jedem Computer um ein millionenfaches überlegenes „operatives System“ hat, wir jedoch aufgrund unserer beschränkten „Arbeitsspeicher“ und Arbeitsweise nur einen ganz geringen Teil ausschöpfen können. Um anschließend darüber zu diskutieren, warum uns ständige Veränderungen in der Organisation oft nicht dazu kommen lassen, die Nutzen aus einem Projekt nachhaltig zu ziehen.
Nach einer Darstellung von Effizienz am Beispiel von Kanban Vorgehensweisen ging es zum Endspurt: Gamification in Trainings und Coachings nutzen, mit dem Lean Coffee Ansatz Meetings auf die Teilnehmerbedürfnisse zuzuschneiden und über den Wert von Zertifizierungen auf dem spanischen Markt zu sprechen, rundete das breite Spektrum dieser beiden Tage ab – eine Investition, die sich für mich auf jeden Fall gelohnt hat. Und die Lust auf mehr macht – weitere PM Camps stehen in diesem Jahr noch in Wien und Dornbirn an. Für Menschen, die sich gern interaktiv und durch Austausch über Projektmanagement weiterentwickeln, kann ich nur empfehlen: Suchen Sie sich einen Termin und machen Sie mit!