Seit kurzem bin ich als Circular Economy Consultant Mitglied im weltweiten Netzwerk von Circulab, einer Agentur aus Frankreich, die seit 2012 Unternehmen und Organisationen auf dem Weg in die Zukunftsfähigkeit begleitet und unterstützt. Das Netzwerk besteht aus über 70 Experten aus 25 Ländern, und Österreich ist jetzt ebenfalls auf der Landkarte. Eine Toolbox mit Circular Business Modeling Canvas, Mapping der Partner für regenerative Circular Economy Lösungen und ein Value Chain Canvas und die dazugehörigen Workshops für Circular Design sind die inhaltlichen Grundlagen, basierend auf systemischem Denken.
Zusammen mit Vanessa Wabitsch, mit der ich den Circular Economy Club Wien seit 2 Jahren leite, habe ich die Ausbildung durchlaufen. Wir hatten einige Aha-Effekte, denn der Pfad zu Zirkularität beginnt mit der Erkenntnis, dass systemisches Denken die Grundlage für jede zirkuläre Lösung ist. Und systemisches Denken ist uns im beruflichen Alltag eher fremd. Das fällt mir im Projektmanagement immer wieder auf. Wir versuchen die Zukunft zu beschreiben, indem wir auf Basis der aktuellen Prozesse und Abläufe die Zukunft modellieren. Wir wollen das System in Einzelteile auseinandernehmen und dann versuchen, diese neu oder ergänzt wieder zusammenzusetzen. Doch so funktionieren Systeme nicht. Das ist wie in Familien – wenn z.B. meine Tante einen neuen Lebenspartner hat, werden sich die Beziehungen zwischen allen Mitgliedern ändern und es kommen noch weitere Beteiligte dazu.
Neue Prozesse und Systeme benötigen ein Lernen und Einüben
Diese Erkenntnis, die in der privaten Ebene recht trivial ist, ignorieren wir ganz oft im beruflichen Alltag. In Projekten wird oft versucht, sehr viel vorab zu verstehen und im Detail zu planen. Man möchte möglichst sicher zu sein, dass die Lösung funktioniert. Doch wenn ich einen neuen Prozess oder ein neues System einführe, braucht es oft ein anderes Verhalten der Beteiligten. Diese Verhaltensänderung hat jedoch weitergehende Konsequenzen, die wieder den Prozess beeinflussen. Diese Rückwirkungen erkennt man oft erst, wenn mit den neuen Prozessen gearbeitet wird. Ein wichtiger Grund, warum für komplexe Änderungen agile Vorgehensweisen mit eingebautem Lernen erfolgsversprechend sind.
Wenn wir stärker in Kreisläufen und Circular Economy Lösungen denken, brauchen wir dieses systemische Denken. Wir haben nicht mehr nur den Verkauf eines Produktes als Option, sondern vielfältige Möglichkeiten zum Ermöglichen der Nutzung. Vom Take-Back-System über die Vermietung bis zur Bereitstellung mit Reparatur- und Upgrade-Service. Dazu müssen wir die Nutzer wie auch andere Stakeholder (z.B. Logistik- oder Reparaturdienstleister) stärker mit in alle Phasen der Entwicklung einbeziehen. Dies verlangt ein anderes Bild und eine oft intensivere Zusammenarbeit. Wir ändern die Perspektive – aus Nutzern oder Dienstleistern werden Partner. Diese neuen Systeme der Zusammenarbeit lassen sich nicht am Reißbrett konstruieren – sie brauchen ein Einüben, erkennen der Bedürfnisse und lernen, wie man mit den Rückkopplungen am besten umgeht. Unternehmen, die agil arbeiten, tun sich oft leichter, mit der Komplexität umzugehen, bewusst zu lernen und die Erkenntnisse umzusetzen.
Wie lerne ich systemisches Denken?
Mir haben die Ausbildungen zum Systemischen Coach und als Change Manager viele Erkenntnisse gebracht, wie man mit diesen Herausforderungen am besten umgeht. Sie ergänzen das Verständnis aus dem agilen Projektmanagement und als Scrum Product Owner, die sich mit Komplexität befassen. Wir lernen, eigene Ressourcen zu erkennen, Beziehungen und Entwicklungen bewusst zu reflektieren und neue Handlungswege im „Safe Space“ auszuprobieren. Dies sind nur einige der Komponenten, die dabei helfen. Es geht darum, sich Räume zu schaffen, in denen neue Verhaltens- und Arbeitsweisen angewendet und die Rückmeldung der Partner wahrgenommen wird. Dazu bieten sich Projekte an, in denen agile Methodik angewendet wird. Tools wie Design Thinking oder Lean Startup werden genutzt, um die zu evaluierenden neuen Lösungen zu definieren und zu erproben. Ob als erste Phase eines längeren Projekts oder als eigenes Projekt – es gibt verschiedene Wege, wie dies umgesetzt werden kann. Wichtig ist neben der Definition des zu entwickelnden Ergebnisses festzulegen, welche Erkenntnisse man im Projekt sammeln möchte. Je mehr Erfahrung man im zirkulären Arbeiten hat, umso weitreichender können die Veränderungen sein, die man in die Projekte aufnimmt.